„Schreibst du das Geistliche Wort für den Gemeindebrief?“ Als Pfarrer im Ruhestand bin ich gerne dazu bereit. Da ich aber mit der Gemeinde nur begrenzt vertraut bin, habe ich keine direkten Anknüpfungspunkte für meine Gedanken. So lasse ich mich von dem leiten, was dem Kirchenjahr nach in den kommenden Wochen wichtig ist. Die vielen Sonntage nach Trinitatis wollen uns dafür achtsam machen, wie in uns wächst, was Gott in unser Leben geschenkt (in bäuerlicher Tradition: gesät) hat.
Das Lebensgeschenk Gottes machen wir uns anschaulich in unseren großen Festen. Dazu lese ich im letzten Gemeindebrief: „Ostern ist der Sieg der Liebe über Hass und Gewalt, über Leid …“. Der Monatsspruch für August, der mich für diesen Gemeindebrief beschäftigt, lässt uns da noch einmal genauer hinhören, hinschauen. Er steht im 1. Johannesbrief (4,16) und heißt:
„Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm“.
Wer den Zusammenhang liest, findet zwei wichtige Hinweise:
einmal: der Text ist in einer Situation geschrieben worden, in der es heftigen Streit gegeben hat. Am Ende hat eine Gruppe in der Gemeinde des Johannes allen anderen Gemeindegliedern Gastfreundschaft und Unterstützung verweigert. Ja, es heißt sogar: deren Leiter wirft die, die da nicht mitmachen wollen, „aus der Gemeinde(gruppe)“. Darum ist an die, die da exkommuniziert werden, die Mahnung wichtig, nicht mit gleicher Münze zu reagieren: „ahme das Böse nicht nach“. Das klingt vertraut, aber es überfordert uns total. Wir können in aller Regel nicht über abweisendem, aggressivem Verhalten uns gegenüber stehen und besonnen reagieren.
Deswegen ist das andere wichtig: wir müssen dabei nicht auf uns selber sehen, auf unsere Gefühle, auf unsere innere Kraft. Alles, was wir auf Angriffe sagen und tun, was wir füreinander an Gutem tun können, lebt – so glauben wir – nicht von unseren Möglichkeiten, sondern allein aus der Liebe, die Gott uns schenkt. Er macht uns stark. Er zeigt uns, was in einem Konflikt weiterhilft.
Für den Verfasser des 1. Johannesbriefes steht das nicht in Frage. In Frage steht, ob wir das gerade in schwierigen Situationen bei uns ankommen lassen: „… wer in der Liebe bleibt …“ – in der Beziehung zu Gott, zu Jesus.
„… bleiben …“ – das klingt so, als müssten wir da etwas tun. Und das ist auch nicht ganz falsch. „Bleiben“ können wir nur, wenn wir auf die – oft leise – Stimme des Heiligen Geistes (an dem wir durch unsere Taufe Anteil haben dürfen und der nach Jesu Verheißung in uns wohnt) in uns hören, die uns zusagt: auch jetzt, auch hier, auch in dieser Krise ist Gott bei uns und führt uns da hindurch. Denn er kann und will all das, was uns im Leben Widerstand leistet in seine Hand nehmen und in seine Geschichte mit uns einbauen. Aller Hass, alle Gewalt und alles Leid (siehe oben) können ihn nicht von dem Ziel abbringen, zu dem er uns bringen will. Um das zu hören, müssen wir die Stimmen in uns und um uns herum überhören, die uns einflüstern, wir könnten mit den Schwierigkeiten und Hindernissen, mit den Verletzungen und Enttäuschungen aus eigener Kraft umgehen. Das geht oft nicht alleine, weil diese Stimmen in uns ziemlich dominant sein können. Aber dazu können und dürfen wir uns gegenseitig helfen – im Dasein füreinander, in Begleitung auf Wegstrecken im Leben, im Zuspruch von unseren Erfahrungen mit Gott, im Zuspruch von geprägten Worten unseres Glaubens aus der Bibel oder dem Gesangbuch, im Gebet.
In solch einem Prozess des „Bleibens“ will und wird uns Gott die Augen öffnen, dass seine Liebe ja nicht nur uns gilt und denen, die uns vertraut sind. Jesus ist für das Heil aller Menschen in diese Welt gekommen – auch für die, die mir, die uns Schwierigkeiten machen.
In einer Auslegung habe ich gefunden – und damit bin ich wieder beim Geistlichen Wort aus dem letzten Gemeindebrief: In der Liebe bleiben heißt, in Gottes Liebe hineinfinden, „eine Liebe, die allen Menschen gilt, den Fremden wie den Nahen, den Einheimischen wie den Flüchtlingen, aber auch dem Freund wie dem Feind. In Gottes Liebe bleiben heißt nicht mehr und (nicht) weniger, als in den anderen Menschen Personen zu sehen, die Gott ebenso liebt wie mich und für die er mir die Verantwortung übertragen hat, die er selbst in seiner Liebe schon längst für mich übernommen hat.“ (Dr. Adelheid M. von Hauff in Pastoralblätter 7-8/ 2018, vorab Gratisimpuls).
Vielleicht gibt es in dem, was auf den folgenden Seiten dieses Gemeindebriefes steht, Impulse, Anstöße, sich darauf einzulassen.
Ihr Hartmut Richter