als ich dieses Geistliche Wort schreibe, haben wir erst vor wenigen Tagen Pfingsten gefeiert. Da gibt es in unserer Gemeinde eine wunderbare Tradition am Pfingstmontag. Wir treffen uns seit über 20 Jahren mit den katholischen Geschwistern der Kirchengemeinde Wallerfangen auf der Teufelsburg, um miteinander Gottesdienst zu feiern und dann noch ein bisschen zusammenzubleiben. Trotz eisiger Kälte und sintflutartigen Regenschauern trafen sich auch dieses Jahr gut 70 Menschen. Wegen des frostigen Wetters rückten wir eng zusammen, und die Stimmung war wie immer fröhlich. Das ist der Sinn von Pfingsten. Menschen werden vom Geist Gottes erfüllt, verlassen ihre Häuser und erzählen von der großen Güte Gottes, die ihnen widerfahren ist. Sich völlig fremde Menschen unterschiedlicher Herkunft, mit unterschiedlichen Kulturen und Sprachen begegnen einander und finden einen Weg, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Auch wir verlassen an diesem Pfingstmontag unsere gewohnten Mauern – in diesem Fall die Kirchen-mauern – und machen uns auf, um einander zu begegnen. Mauern hindern Verstehen und lassen uns einander fremd werden, schüren Misstrauen, wecken unsere Ängste. Mauern lassen uns auf der Stelle treten, erstarren, geistlich und geistig. Mauern schnüren unsere Herzen ein. Es sind nicht nur steinerne Mauern, die das tun. Es sind die Mauern in unseren Herzen und Köpfen, die Menschen und Völker, Religionen und Kulturen voneinander trennen.
Die Bibel erzählt, dass Kain, der Brudermörder, der erste Städtebauer war. Damit drückt sie aus, dass es Kains Angst vor der Rache der anderen ist, die ihn hinter Mauern treibt. Es sind unsere Ängste, die uns Mauern errichten lassen. Aber hinter Mauern werden unsere Ängste immer nur größer. Sie gewinnen an Macht, weil man sich von anderen abschottet. Manchmal mag es gut sein, einen Ort zu haben, wo man Zuflucht findet, sicher ist und auch bei sich. Aber wenn Mauern Begegnung verhindern, dann entsteht eine Atmosphäre, in der der Fremde, das Fremde uns bedrohlich und gefährlich erscheint. Auch wenn das tatsächlich gar nicht der Fall ist.
Im Moment werden wieder überall Mauern und Grenzen errichtet. Es werden auch Ängste geschürt und Bedrohungen an die Wand gemalt, die keinen realen Hintergrund haben. Richtig ist: Die Menschen die aus ihren Ländern fliehen und bei uns Zuflucht suchen, stellen uns vor große Herausforderungen. Wir haben sie in Deutschland mit viel Mut und Engagement angenommen und uns dieser Situation gestellt. Alleine das ist eine Leistung, auf die wir stolz sein können. Auch das ist Pfingsten!
Natürlich gibt es berechtigte Sorgen, wie wir das bewältigen. Aber man muss nicht diese Sorgen gegen die Not der Flüchtlinge ausspielen. Wer hier Ängste und Neid schürt, der schafft die Voraussetzungen für Aggressionen und Gewalt gegen andere. Es geht darum, Lösungen für diese Herausforderung zu suchen. Lösungen, die auch die Not der Flüchtlinge nicht aus dem Blick lässt. Diese Lösungen finden wir nur Miteinander und im Dialog. Das gilt auch für das Miteinander mit anderen Kulturen und Religionen wie dem Islam. Wer Millionen von Menschen in unserem Land unter Generalverdacht stellt – ihre Religion würde diesem Land schaden und sie würden nicht dazugehören – errichtet Mauern, die neue Probleme schaffen.
An Pfingsten überwindet Gott die Mauern, die uns trennen. Wir leben nicht mehr aus der Angst zu kurz zu kommen, wir definieren uns auch nicht mehr durch Abgrenzung und Ausgrenzung, sondern werden erfüllt von seinem Geist, der mutig und offen auf andere zugeht. Pfingsten steht für Begegnung zwischen völlig Fremden. Er zielt auf Verständigung zwischen den Kulturen und Völkern.
Ich möchte an dieser Stelle meinen Dank ausdrücken an alle, die daran mitwirken.
Ihr Jörg Beckers