so singen die himmlischen Heerscharen in der Heiligen Nacht und begrüßen das Kind, das uns die Nähe Gottes verheißt. Ein alter Traum, ein ewiger Wunsch, dass die Menschheit aufhöre, sich mit Krieg und Gewalt zu überziehen und Leid und Not über die Welt zu bringen. Wahrscheinlich war dies schon in der Heiligen Nacht nicht der Fall. Geschweige denn heute. Wenn wir die Nachrichten anschalten, dann möchten wir am liebsten Augen und Ohren verschließen bei all der Gewalt und Terror. Und doch lösen diese Worte eine tiefe Sehnsucht in uns aus, es möge wahr werden. Sie tragen eine wundersame Kraft in sich, die uns hoffen lässt, dass Friede möglich ist.
Was hat es also mit dieser Verheißung auf sich? War es nur der Friede der einen Nacht, eines Augenblicks, als die Engel die Ankunft des Heilandes verkünden? Kann ich das glauben – Friede auf Erden? Macht das Sinn?
Ja, es macht Sinn – immer noch und mehr denn je. Das Kind bringt eine Botschaft mit. Sie lautet: Das Reich Gottes kommt in Klein-Kinder-Schritten. Gott wählt seinen eigenen Weg, um diese Welt zu verändern und dieser Weg beginnt für die Welt mit diesem Kind. Es ist nicht der erste Schritt, nicht der erste Versuch, den Gott macht. Aber nun wählt er einen anderen Weg, um den Menschen Frieden zu bringen. Ein kleines Kind in der Krippe. Geboren in einer kleinen Stadt. Besucht von kleinen Leuten. Nach einer kurzen Nacht sind sie wieder auf der Flucht. Ein kleines Kind. Die bedürftigste menschliche Form. Die bedürftigste Ausgabe Mensch. So kommt Gott den Menschen nah und so kommt das Reich Gottes – in Klein-Kinder-Schritten. Gott macht nicht Tabula rasa. Er kommt nicht von oben herab und zieht einen dicken Schlussstrich. Er macht nicht einfach alles neu. Er kommt klein und unscheinbar, weil ihm das Kleine und Unscheinbare am Herzen liegt. Und das auf der ganzen Welt, nicht nur in einzelnen Ländern oder Kontinenten. Tabula rasa – alles auf Neufanfang, das machen die Großen, das machen die Fanatiker. Dabei übersehen sie das Kleine, das Bedürftige, das Kostbare, schlimmstenfalls zerstören sie es. Denn sie haben Angst davor klein zu sein. Sie fürchten sich vor Machtlosigkeit und Bedeutungslosigkeit.
Gott wählt einen anderen Weg: Mit euch Menschen will ich Frieden schaffen und die Welt verändern. Nicht indem ich einfach wegmache, was mich stört, sondern indem ich euch verändere und mit auf diesen Weg des Friedens nehmen. Der sich ganz klein macht für dich. Darum: Lass dich anrühren von der Bedürftigkeit des Kindes und der Kostbarkeit, die in jedem Leben liegt. Lerne es zu achten und zu bewahren. Dann hat der Friede eine Chance – in dir und in der Welt. Das mag banal klingen und hilflos, aber darin wohnt die einzige Kraft, die Frieden schaffen kann.
Ich wünsche ihnen, dass sie in den nächsten Wochen etwas von Liebe Gottes spüren, die in dieser Krippe ihren Anfang nahm. Und ich wünsche ihnen, dass sie in ihnen wachsen kann und Kraft frei setzt für das, was ihnen am Herzen liegt. Ich wünsche uns, dass wir nicht aufhören daran zu glauben, dass Frieden möglich ist – in uns und auf der Erde.
Ihr Jörg Beckers