vor wenigen Tagen ist die Ausstellung „Hölle-Fegefeuer-Paradies“ zu Bildern von Salvador Dalí zu Ende gegangen. Es war nicht nur eine künstlerisch interessante Ausstellung, die uns einen Einblick in das Werk Dalís und die Göttliche Komödie von Dante geschenkt hat, sondern auch eine Ausstellung, die uns angeregt hat, uns mit Sterben, Tod und Jenseits auseinander zu setzen. Es gab hochkarätige Veranstaltungen wie die Podiumsdiskussion zum Thema „Bekomme ich am Ende, was ich verdient habe?“ oder der Vortrag „Klappe zu und aus – oder doch das Paradies?“ mit Klaus Aurnhammer, die mich durch ihre Intensität und Tiefe beeindruckt haben. Eins von vielen Beispielen, das mich noch immer beschäftigt: Klaus Aurnhammer sprach während der anschließenden Gesprächsrunde davon, dass das Sterben für ihn etwas „Heiliges“ habe. Man sei dabei, wenn das Leben einen Menschen verlasse und das sei ein besonderer Moment, für den er nur diesen Ausdruck „heilig“ habe. Ich habe das Sterben noch nie unter diesem Aspekt gesehen. Aber ich finde das Wort sehr angemessen. Leben ist etwas heiliges, weil unendlich kostbar und von Gott geschenkt. Es steht im Letzten nicht in unserer Verfügungsgewalt. Es wird uns geschenkt! Also ist auch der Augenblick, wenn uns dieses Leben wieder verlässt, ein besonderer, ein heiliger Moment, den wir achten und schätzen sollen. Es ist nicht egal, wie wir sterben. Es soll in Würde und wenn es möglich ist in Liebe geschehen.
Mir ist dieser Ausdruck aber noch aus einem anderen Grund so angemessen erschienen. Denn das Sterben ist nicht nur ein menschlicher Vorgang. In ihm ereignet sich auch auf eine gewisse Weise die Begegnung mit Gott. Wenn wir aus diesem irdischen Leben gehen, dann glauben wir uns in der Liebe Gottes geborgen. Wir wissen nicht genau, wie das aussieht und wir haben nur Bilder, um uns davon zu erzählen und uns zu trösten. Aber eins ist uns doch versprochen: Gott wird dieses Leben bewahren und zu neuem Leben verwandeln. Wenn wir also sterben – egal, ob wir darunter verstehen, dass wir mit unserer ganzen Lebendigkeit verlöschen oder dass unsere Seele uns verlässt – so kommt uns Gott entgegen und bewahrt unsere Lebendigkeit – er kommt mir entgegen. Der Lebendige selbst, der Anfang und das Ziel des Lebens, vollendet mein Leben. Auch deshalb ist das ein heiliger Moment. Es ist Neuschöpfung und Vollendung.
Dieser Glaube kann uns nicht nur durch das Sterben tragen, sondern auch durch das Leben. Er entlastet uns davon alles in diesem Leben schaffen oder erledigen zu müssen. Im Glauben, dass mein Leben vollendet wird, kann ich gelassener loslassen. Ich darf regeln, was mir wichtig ist, aber wenn das mal nicht gelingt oder nichtmöglich ist, kann ich es auch in Gottes Hände legen.
In diesem Sinne kann der Tod dann mein Bruder werden, den ich nicht zu fürchten brauche. Deshalb ein wunderbares Wort des Theologen Dieter Nestle im Angesicht des Todes. Pfarrer Joachim Conrad hat diesen Text zur Podiumsdiskussion eingebracht.
An meinen Tod
- Dieter Nestle – 2. November 1990
„Tod! Du kannst immer kommen!
Klopf an, tritt ein.
Nimm Platz, hier sind wir unter uns.
Ich möchte vieles sagen
Doch ich schweige lieber.“
„Du bist wohl müd
und kannst nicht mehr?
Die Kraft hat dich verlassen.
Ruh dich aus, leg dich nieder,
streck dich.
Ich setz mich zu Dir.
Ich deck Dich zu und wache
Bis du schläfst.
Ich hüte deinen Schlaf.“
„Ja, wach, Tod!
Es soll mich niemand wecken vor der Zeit!
Doch wenn der Morgen kommt,
dann zieh den Vorhang auf
und öffne beide Fensterflügel weit
dem Morgenduft und Morgenglanz und Morgenlied –
O Gott, wie schön! – wie schön!“
Ihr Jörg Beckers