Liebe Gemeinde,

2. Dezember 2013 von Anja Nesges

bald feiern wir wieder die Geburt unseres Heilandes. Eigentlich ein schönes, altmodisches Wort – da kommt einer, der soll heil machen, heilen, versöhnen, aufrichten, bestärken und uns Gott ganz nahe bringen. Ja, Gott selbst offenbart sich uns in diesem Kind. In unzähligen Bildern wird die Geschichte bei Lukas und Matthäus abgebildet – der Stall und das Stroh, manchmal eine Ruine oder Höhle, die Krippe, Geburt in der Dämmerung oder in der Nacht, die Hirten und die Weisen. Jede und jeder von uns hat seine Bilder und seine Gefühle angesichts dieser Geschichte. Manches davon entspringt dem Wunsch nach Heil und färbt die Geschichte sehr romantisch ein und klingt auf einmal selbst nach heiler Welt.

Aber die Geburt Jesu ist kein Erlebniscamping im Stall bei Ochs und Esel. Die Weltmacht Rom treibt Maria und Joseph zur Volkzählung nach Bethlehem, ohne Rücksicht darauf, dass diese junge Frau hochschwanger ist. Bei der Entbindung hat Maria keine Hilfe zu erwarten – auch nicht von den Frommen und den gutsituierten Bürgern. Die Hirten, die ärmsten der Armen, sind die ersten Zeugen der Geburt Jesu. Nach Matthäus löst die Geburt des Heilandes sogar eine politische Verfolgung aus, die in einem Kindermord endet und die Familie zur Flucht nach Ägypten zwingt. Also Gott, der Heimat in seiner Welt sucht, heimatlos und auf der Flucht.

Mir ist das noch einmal bewusst geworden, als die Nachrichten von den Flüchtlingen vor Lampedusa durch die Medien gingen. Das waren erschreckende Bilder, die blitzlichtartig eine schon seit langem bekannte Situation anklagen. Menschen, die wegen Krieg, Hunger und Not aus ihren Ländern flüchten und dabei aus lauter Verzweiflung das Äußerste riskieren und von denen viele umkommen.

Auf der leuchtenden Folie der Weihnachtsgeschichte fordern uns diese Flüchtlingsschicksale, Stellung zu beziehen. Welche Verantwortung müssen wir für das Schicksal der Flüchtlinge übernehmen? Wie viel Barmherzigkeit steht einer Gesellschaft an, die sich an Weihnachten das Heil der Welt schmecken lässt? Kann man sich angesichts dieser Bilder auf eine Haltung zurückziehen, die lautet: „Wir können nicht jeden Flüchtling aufnehmen und es gibt klare Regelungen innerhalb der EU“? Ich glaube, das können wir nicht. Und ich glaube auch nicht, dass unser Land schon alle Möglichkeiten der Hilfe ausgeschöpft hat. Ein Recht, bei dem billigend in Kauf genommen wird, dass Menschen umkommen ist Unrecht. Es gibt mehr Möglichkeiten in dieser Situation Flüchtlingen und den direkt betroffenen Ländern zu helfen. Man kann an dieser Stelle auch nicht einfach mit dem Finger auf Politiker zeigen, weil auch in unserem Land eine Bereitschaft da sein muss, diesen Menschen helfen zu wollen.

Der erwachsene Jesus wird später für Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit eintreten und versuchen, Barmherzigkeit und Recht miteinander in Einklang zu bringen. Vor allem aber wird er die Menschen spüren lassen, dass Gott gerade den Leidenden, den Armen, den Ausgestoßenen, den Flüchtlingen nahe ist. Dabei war Barmherzigkeit für Jesus nicht einfach eine Form des Mitleids, es war ein Recht, das dem Willen Gottes entspringt. Es ist das Recht auf Leben. Die Weihnachtsgeschichte erinnert uns daran – Gottes Heil schließt die ganze Welt ein.

Ihr Jörg Beckers

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